Landtag NRW - Anhörung chemisches Recycling: "Zurück in den Kreislauf"

Verpackungen und ausgediente Gegenstände bestehen oft aus mehreren Schichten von Kunststoff, Glas oder Papier. Da ist professionelles Recycling gefragt, um Rohstoffe aufzubereiten. Die FDP-Fraktion will chemische Recyclingverfahren stärken – ein Vorschlag, mit dem sich Sachverständige beschäftigt haben.

Im vergangenen Jahr seien nur 8,6 Prozent der verwendeten Rohstoffe recycelt worden, schreibt die FDP-Fraktion in einem Antrag (18/1662), der der Anhörung zugrunde lag. Mehr als 90 Prozent der ausgedienten Materialen würden dem Wirtschaftskreislauf nicht wieder zugeführt. Das gehe aus dem sogenannten Circularity Gap Report für das Jahr 2022 hervor. Gebrauchte Materialien mittels chemischer Verfahren wieder aufzubereiten, berge „erhebliches wirtschaftliches Potenzial“ vor allem für die Bau- und Abfallwirtschaft sowie für die Kunststoffindustrie. 

Aktuell werde in der Kreislaufwirtschaft vor allem „werkstoffliches Recycling“ angewandt, in Fachkreisen auch „mechanisches Recycling“ genannt, schreibt die Fraktion. Abfälle werden dabei nach Kunststoffart sortiert, gewaschen und eingeschmolzen und zu sogenannten Rezyklaten aufbereitet, die als Ausgangsstoff für neue Produkte verwendet werden. Die Verunreinigung von Kunststoffen durch Glas, Metalle, Fasern, Papier, Verbundmaterialien und Additive erschwere häufig allerdings das werkstoffliche Recycling, so die FDP-Fraktion. 

Nordrhein-Westfalen als Modellregion

Beim chemischen Recycling wiederum werde ein Produkt in seine chemischen Grundbausteine zerlegt. Es stehe anschließend – frei von Schadstoffen – wieder zur Verfügung, um neue Produkte zu fertigen. Das chemische solle das werkstoffliche Recycling nicht ersetzen, sondern ergänzen und Lücken schließen, schlägt die Fraktion vor. In Nordrhein-Westfalen sollten Modellregionen für die „zirkuläre Wirtschaft“ aufgebaut werden. Nordrhein-Westfalen solle „Kreislaufwirtschaftsland Nr. 1“ werden. Die Landesregierung solle u. a. die Einrichtung von Reallaboren und Demonstrationsanlagen für die Forschung, Entwicklung und die kommerzielle Erprobung von chemischem Recycling vorantreiben.

Der Verband der Kunststoffindustrie „kunststoffland NRW“ begrüßte die im Antrag formulierten Vorschläge. Bisherige Recyclingmethoden sollten um Methoden des chemischen Recyclings ergänzt werden. Die Zeit dränge, da derzeit zahlreiche Projekte initiiert würden. Zwar seien auch mithilfe des mechanischen Recyclings Fortschritte erzielt worden. Bei schwer zu recycelnden Kunststoffen oder häufigen Recyclingdurchläufen stoße dieses Verfahren aber an seine Grenzen. Chemisches Recycling eigne sich vor allem für verunreinigte und gemischte Kunststoffe. 

Positiv bewertete den Antrag auch der Landesverband Nordrhein der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Es sei zu begrüßen, chemisches Recycling „als einen wesentlichen Bestandteil der Kreislaufwirtschaft“ und „Grundvoraussetzung für eine gelingende Kreislaufwirtschaft“ ins Spiel zu bringen. Mechanisches Recycling könne die Qualität der aufbereiteten Stoffe negativ beeinflussen und zu Verunreinigungen führen. „Chemisches Recycling kann hier ein ergänzendes Verfahren sein, um die Qualität zu verbessern.“ Allerdings werde es aktuell selten angewandt. Das hänge u. a. damit zusammen, dass chemisches Recycling „noch nicht marktfähig“ und meist „energieintensiv“ sei. Weitere Forschung sowie Subventionen für Unternehmen seien nötig.

Alternativen für die „Wegwerfgesellschaft" 

Laut Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ist die „fundamentale Umgestaltung der Wertschöpfungskette Kunststoff“ wichtig, um der „Wegwerfgesellschaft“ etwas entgegenzusetzen.  Einen wichtigen Baustein könne das chemische Recycling bilden, wobei der Begriff unterschiedliche Technologien umfasse, bei denen zu differenzieren sei. Es bestehe „Handlungsdruck“, weil besonders in den Niederlanden mit Hochdruck in ähnliche Strukturen investiert werde. Chemisches Recycling wiederum dürfe nicht zum Alibi für die Verpackungsindustrie werden. Die Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen und Langlebigkeit von Produkten müssten weiter erhöht werden. 

Das chemische Recycling erfahre aktuell großes Interesse in Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft, bemerkten der Verband der Chemischen Industrie sowie der Verband der Kunststofferzeuger „Plastics Europe“. Es sei eine „aussichtsreiche Lösung, um eine breite Palette von kunststoffhaltigen Abfällen zu recyclen, die bisher nicht recycelt werden konnten“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Chemisches Recycling leiste in Kombination mit mechanischen Verfahren einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klima- und Kreislaufziele des „Green Deal“ der Europäischen Union. Auch die Bundesregierung habe sich zum Ziel gesetzt, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und greife das chemische Recycling im Koalitionsvertrag auf.

Kritisch äußerte sich der Bundesverband Sekundärstoffe und Entsorgung. Unter dem Begriff „chemisches Recycling“ seien unterschiedliche Verfahren zusammengefasst. Daher sei es schwierig, „generelle beziehungsweise vereinheitlichende Aussagen zum chemischen Recycling zu treffen“. Ein Vorteil des werkstofflichen Recyclings wiederum sei, dass die chemische Struktur von Kunststoffen bei diesem Verfahren erhalten bleibe. Daher sei es „ökologisch so vorteilhaft“. Es ermögliche Mehrfachnutzungen von Rohstoffen und verbrauche weniger Energie als das chemische Recycling. 

Prof. Dr. Peter Georg Quicker von der RWTH Aachen fügte an, Produkte sollten so gestaltet sein, dass mechanische Verfahren mehr Recyclingdurchläufe ermöglichten. Ließen sich Stoffe auf diese Weise nicht recyclen, könne das chemische Recycling eine Alternative sein. Im Auftrag des Bundes führe er aktuell eine Studie zu Techniken und Potenzialen des chemischen Recyclings durch. Bevor etwaige Gesetzänderungen auf den Weg gebracht werden, sollten die Ergebnisse der Studie abgewartet werden. Sie würden gegen Ende des Jahres veröffentlicht. (Text: Thomas Becker, Landtag NRW, Referat Öffentlichkeitsarbeit)

Quelle/Originalmeldung, 18.01.2023: Landtag NRW